Einer von uns: Dinh Du Tran 

Dinh Du Tran ist Frankfurter durch und durch: Er wurde hier geboren, ist hier zur Schule gegangen, studierte in Frankfurt und arbeitet bis heute in der Mainmetropole. Als Vovinam-Athlet hat der 34-Jährige dennoch schon viel von der Welt gesehen – und Medaillen für Deutschland errungen.

Bei der Frage, wann Dinh Du Tran eigentlich mit Vovinam angefangen hat, muss er schmunzeln. „Alle witzeln immer darüber, dass mein Vater mich zum Training mitgenommen hat, seit ich laufen kann. Das stimmt nicht ganz – ich muss ungefähr sechs Jahre alt gewesen sein, als ich mit Vovinam angefangen habe“, so der 34-Jährige heute. Das Talent für die vietnamesische Kampfkunst liegt zweifelsohne in der Familie. Dinh Dus Vater, der bereits in seinem Heimatland Vietnam die Kampfkunst Vovinam als Trainer ausgeübt und unterrichtet hatte, kam im Jahr 1970 wegen des Krieges in Vietnam zum Studium nach Deutschland – zunächst landete er in Stuttgart und eröffnete dort eine Vovinam-Gruppe, später verschlug es ihn nach Berlin und auch dort machte er eine Gruppe auf. Als Dai Chieu Tran sein Studium abgeschlossen hatte, bekam er in Frankfurt einen Job. Und wie sollte es anders sein – auch hier gründete er dann eine Vovinam-Gruppe. Und da er in der Regel versuchte, mit seiner Gruppe an einen großen, breiten Sportverein anzudocken, fand Vovinam 1986 eine Heimat bei der SG Nied, wo es als neue Sportart in der Judoabteilung integriert wurde. Seit der Fusion zum 1. Juli 2021 wird nun unter dem Dach der Eintracht trainiert. 

Obwohl Dinh Du schon im Kindesalter in die Fußstapfen seines Vaters trat und ebenfalls zum Vovinam gefunden hat, probierte er sich früher trotzdem auch in anderen Sportarten aus. „Ich habe für kurze Zeit Fußball gespielt. Tischtennis habe ich ebenfalls ausprobiert, aber an Vovinam hatte ich den meisten Spaß, deshalb bin ich dann dabeigeblieben“, erzählt der 34-Jährige von seinen sportlichen Anfängen. Mittlerweile trägt er den roten Gürtel mit einem weißen Streifen und darf sich als Meister bezeichnen. Zusätzlich ist Dinh Du mehrfacher und aktuell amtierender Europameister – bis dahin war es allerdings ein langer Weg.  

„Trotz Sprachbarrieren sprechen wir durch Vovinam alle dieselbe Sprache“ – Dinh Du Tran

Dinh Du wurde bereits in seinen Kindheitstagen von seinem Vater trainiert, was sich nicht unbedingt als Vorteil gegenüber den anderen Sportlerinnen und Sportlern herausstellte. „Ich hatte schon das Gefühl, dass er mich etwas härter rangenommen hat als die anderen. Trotzdem hatten wir immer ein gutes Verhältnis zueinander, das ist auch heute noch so“, berichtet Dinh Du über den Trainingsalltag mit seinem Vater. Auch sein drei Jahre jüngerer Bruder Dinh An hat früh zum Vovinam gefunden, sich mittlerweile aber für die Familie entschieden und die Sportkarriere hinten angestellt. Die Brüder haben jahrelang gemeinsam trainiert und sind außerdem in verschiedenen Disziplinen zusammen angetreten. Diese Zeit ist nun vorbei – trotzdem sind beide weiterhin in engem Austausch. „Mein Bruder kommt ab und zu vorbei, wenn wir trainieren. Er hat viel Expertise, die wir nicht missen möchten, und wir fragen ihn hin und wieder gerne um Rat“, so Dinh Du über das Verhältnis zu seinem Bruder.

Hinsichtlich seiner beruflichen Karriere hat Dinh Du sich für einen Weg entschieden, der fernab seiner sportlichen Leidenschaft liegt, aber ihn ebenso begeistert. „Ich habe in Frankfurt in physikalischer Chemie promoviert und arbeite heute als wissenschaftlicher Projektmanager“, berichtet er über seinen Job. Dabei ist er im Bereich „Energie und Klima“ tätig, ein Bereich, der in heutigen Zeiten sicherlich wichtiger denn je ist. Aus der Mainmetropole hat es ihn nie weggezogen: „Ich wurde hier geboren, bin in Frankfurt zur Schule gegangen und habe hier studiert. Vovinam betreibe ich bei der Eintracht und auch meinen Job übe ich hier aus – deshalb bezeichne ich mich selbst immer als Frankfurter Bub“, berichtet Dinh Du über die Verbundenheit mit seiner Heimatstadt. Trotzdem hat der 34-Jährige schon viel von der Welt gesehen: „Durch Vovinam habe ich viele andere Länder, Kulturen und Städte sehen und bereisen dürfen. Als ich 14 Jahre alt war, wurde mein Vater beispielsweise als Gast-Meister nach Russland eingeladen und ich durfte ihn dorthin begleiten“, erzählt Dinh Du von seinen Reisen und Auslandserfahrungen. „Gerade auch die Kontakte auf der ganzen Welt, die ich durch Vovinam, knüpfen durfte, begeistern mich an dieser Sportart und spielen eine große Rolle in der Vovinam-Familie.“  

Dinh Dus Leidenschaft für Vovinam hat nie nachgelassen – besonders den Umgang miteinander schätzt er sehr. „Was mich bis heute begeistert, ist der Zusammenhalt und der Kontakt zwischen den Athletinnen und Athleten. Vovinam verbindet uns miteinander – da ist es dann oft auch egal, dass man sich aufgrund von Sprachbarrieren nur schwer verständigen kann. Auf eine andere Art sprechen wir alle dieselbe Sprache, indem wir Vovinam ausüben“, fasst Dinh Du die Faszination von Vovinam aus seiner Sicht zusammen. 

Ein Aspekt, der Dinh Du außerdem ganz besonders am Herzen liegt, ist die Förderung von Nachwuchssportlerinnen und -sportlern. Die nächste Generation für die Kampfkunst zu begeistern und zu motivieren, sei essenziell, um Vovinam in Deutschland weiter zu verbreiten und neue Athletinnen sowie Athleten auszubilden. Der gebürtige Frankfurter ist selbst Leiter einer Trainingsgruppe und möchte seine Leidenschaft entsprechend weitergeben. Kinder für Vovinam zu gewinnen, sei daher von großer Wichtigkeit: „Wir nehmen gerne Einladungen zu Auftritten an, um Werbung für unseren Sport zu machen. Ein Highlight bisher war dabei der Auftritt bei der Frankfurter Sportgala im Marriott Hotel“, so der 34-Jährige. Laut Dinh Dus Erfahrungen begeistern sich im Übrigen sowohl Mädchen als auch Jungen gleichermaßen für die vietnamesische Kampfkunst. „Im Nachwuchs ist das Verhältnis zwischen Jungs und Mädchen hier bei der Eintracht ziemlich genau 50:50. Bei den Erwachsenen sind hingegen nur wenige Frauen vertreten – ganz zu schweigen vom Trainerbereich. Nur ungefähr 30 Prozent unseres Trainerstabs sind weiblich“, so Dinh Du über die Geschlechterverteilung innerhalb Vovinam bei der Eintracht.

Die Weltmeisterschaft in Vietnam war das letzte große Turnier für Dinh Du als aktiver Sportler – nun wird er seine „Athletenkleidung an den Nagel hängen“, wie er sagt. Seinen letzten Auftritt hatte er in der Disziplin Schwert Synchron unter anderem mit einem seiner Schüler, sodass Dinh Du den Staffelstab als Aktiver auch auf der Matte abgeben konnte. Vovinam vollkommen den Rücken zu kehren, kommt für ihn allerdings nicht in Frage: „Ich werde mich auch zukünftig ehrenamtlich als Coach oder Schiedsrichter im Vovinam betätigen“, so der 34-Jährige über seine Pläne für die kommende Zeit. Außerdem ist er ohnehin noch im Vorstand des Deutscher Vovinam Viet Vo Dao Fachverband als Sportreferent tätig und ist auf internationalen Wettkämpfen im Jugendbereich als Kampfrichter aktiv.

Obwohl Dinh Du zukünftig nicht mehr selbst bei Wettkämpfen auf der Matte stehen wird, wird er auf Wettkämpfen oder im Training vermutlich genauso häufig wie bisher anzutreffen sein. Schließlich hat er noch viele Ziele. Eines davon ist, sich weiterhin für die Verbreitung und Weiterentwicklung von Vovinam in Deutschland einzusetzen – mit dem Ziel, dass künftig viele junge Athletinnen und Athleten in seine Fußstapfen treten können.