ABTEILUNGEN ABTEILUNGEN operiert. Ein Achillessehnenriss kann das Karriereende bedeuten. Die OP ist aber gut verlaufen, das ist die halbe Miete. Mein großer Dank geht an Prof. Dr. med. Ulrich Stöckle und sein Team“, erzählt er. Es ma- che aber keinen Sinn zu hadern, auch wenn er wusste, dass die nächs- ten Monate nicht leicht werden würden. Andreas vergleicht die Situati- on mit einem Pokerspiel:: „Klar kann man sich eine bessere Hand wünschen. Am Ende muss man aber mit den Karten spielen, die man hat, und daraus das Beste machen. Und man kann auch mit schlechten Karten ein Spiel gewinnen, das ist die Mentalität, die ich mitbekommen habe. In der Sekunde, in der ich akzeptiert habe, dass ich dieses Blatt ausgeteilt bekommen habe, nämlich den Achillessehnenriss, ging es nur noch darum, die nächsten Schritte so optimal wie möglich zu gestal- ten.“ Dazu gehört auch, wieder zu Hause angekommen, direkt mit der Phy- siotherapie zu beginnen. Tagtäglich ist Andreas im Rehazentrum medi- Loft anzutreffen, arbeitet von Beginn an mit Thomas Burkert zusam- men, der sich vermutlich wie kaum ein anderer in die Lage des Zehnkämpfers versetzen kann. Schließlich ist Thomas Bundesligaspieler im Hockey gewesen. Im September 2004 riss er sich im Alter von 24 Jahren ebenfalls die Achillessehne, nur acht Monate später stand Tho- mas wieder auf dem Feld und wurde mit seinem Verein Stuttgarter Ki- ckers Deutscher Meister – dabei steuerte er selbst einen wichtigen Tref- fer zum Titel bei. Dass beide auf einer Wellenlänge schwimmen, ist schon bei unserem ersten Besuch zu spüren. „Es hilft natürlich enorm, wenn dein Physiotherapeut selbst Leistungssportler war, aus eigener Erfahrung sprechen kann, weiß, was man durchmacht, und seine Ge- schichte ist für mich enorme Motivation“, erzählt Andreas. Zu Beginn zielt die Behandlung auf eine Stabilisierung der Wade durch Elektrotherapie und geht es darum, die Achillessehne elastisch zu be- kommen, bereits zwei Wochen nach der OP sitzt der Adlerträger wieder auf dem Rad, parallel absolviert er Krafttraining. „Ich wollte meinen Körper so gut es geht fithalten“, erklärt er. Zwischendurch reist er seit- her immer wieder nach München in die Praxis von Dr. Müller-Wohlfahrt. Dort arbeitet Andreas mit ihm und seinem Team an seiner Kraftentwick- lung und Statik. Dr. Müller-Wohlfahrt war es im Übrigen auch, der den Operationstermin in Berlin organisierte. In dieser Zeit geht es nicht da- rum, an Hundertstelsekunden oder an Zentimetern wie sonst im Spor- talltag zu arbeiten. „Mein medizinisches Team und ich feierten die klei- nen Siege, zum Beispiel als ich den Fuß einen größeren Winkel bewegen oder meinen Schuh endlich wegstellen konnte“, gibt Andreas Einblicke. Das seien die großen Erfolge gewesen. Stückchen für Stückchen arbeitet sich Andreas zurück. Im Juni 2023 endlich geht es für ihn wieder auf die Hahnstraße, endlich wieder Trai- ning mit seinem Coach Jürgen Sammert. Anfangs wird im Kraftraum gearbeitet und an der Technik gefeilt. Nach und nach aber kommen immer mehr Disziplinen hinzu, seit November trainiert der 24-Jährige sogar wieder Stabhochsprung. Und dann kommt der große Tag, der 14. Januar. Andreas ist zurück im Wettkampf – zwar nur im Kugelstoßen, aber im Wettkampf. Ein weiterer großer Sieg und Schritt nach vorn! Neun Monate harte Arbeit liegen hinter dem Frankfurter – harte Arbeit mit zahlreichen Entbehrungen, viel Disziplin, unzähligen Stunden Reha und Training. Nebenbei führt er sein Unternehmen weiter und schreibt seine Bachelorarbeit fertig. Doch wie schafft man das alles? „Es war schon ein beschissenes Jahr. Einen Achillessehnenriss wünsche ich kei- nem“, gibt er zu und fährt fort: „Aber ich habe das Beste aus meiner Situation gemacht, ich habe unglaublich viel gelernt und Erfahrungen mitgenommen. Man sagt, dass man nicht aus den Siegen, sondern aus den Niederlagen lernt. Das kann ich bestätigen. Ich denke, ich bin geer- deter, motivierter und stärker – auch mental – denn je.“ Er habe un- glaublich viel Unterstützung erfahren von Eintracht Frankfurt, von sei- nem medizinischen Team und Stiftungen und er habe schnell gemerkt, wer wirklich da ist, wenn es mal nicht läuft und der Erfolg ausbleibt. „Ich habe viele tolle Menschen kennengelernt, ich habe das beste medizini- sche Team, das ich mir wünschen kann. Das ist mit Geld nicht zu kaufen. Dafür bin ich sehr dankbar. Wir haben alle Stellschrauben jetzt so ge- dreht, dass ich meine sportliche Karriere optimal fortsetzen kann“, blickt Andreas zuversichtlich in die Zukunft. Die Energie, eiserne Disziplin und positive Einstellung von Andreas ist beeindruckend. Er ist ein Kämpfer. Ein Achillessehnenriss bedeutet für viele Sportler das Karriereende. Der 24-Jährige scheint davon weit ent- fernt und motivierter denn je. „Wer weiß, wofür diese Zeit gut war – pri- vat, beruflich, sportlich. Ich will, wenn ich meine Karriere beendet habe, in den Spiegel schauen können und sagen ‚Hey, du hast wirklich alles aus dir rausgeholt‘. Da spielt es keine Rolle, ob es ein Olympiasieg, Welt- meistertitel oder Deutscher Meistertitel ist. Es geht darum, sagen zu können ‚Ja, ich habe alle Chancen genutzt, ich habe alles investiert und ich habe alles gegeben‘.“ Was auch immer die Zukunft bringen wird, vorzuwerfen hat sich Andreas wahrlich nichts. Stolz kann er schon jetzt auf alles Erreichte, seinen unbändigen Optimismus und seine Comeback-Qualitäten sein – und wer weiß, wohin der Weg ihn damit noch führen wird … Geschäftsführer mediLoft und Physiotherapeut Thomas Burkert, selbst ehemaliger Leistungs- sportler, trainiert nahezu täglich mit Andreas (Foto oben und Mitte). Wieder auf der Wettkampfbühne: Der Adlerträger gewinnt beim 4. Frankfurter Wintercup den Kugelstoßwettbewerb. 73