„Ich wurde ausgetrickst“ 

Im Gespräch mit der „Eintracht vom Main“ blickt Peter Fischer zurück auf 24 Jahre im Amt, auf Entwicklungen auch abseits des Rasens, auf die schwierigen Anfänge, auf die Bedeutung des Ehrenamts, auf Weggefährten und auf Attribute wie Party- oder Ultra-Präsident. Außerdem verrät er, was er am 6. Februar auf keinen Fall machen wird. Das Abschlussinterview mit Präsident Peter Fischer.

 

Peter, am 5. Februar ist Mitgliederversammlung und du wirst dich nicht mehr zur Wahl als Präsident stellen – nach 24 Jahren. Wie muss man sich deine verbleibende Zeit im Amt vorstellen, ist so weit alles vorbereitet? 

Ich würde sagen, dass das Feld bestellt ist. Ich hinterlasse einen sehr stabilen Verein mit einer neuen Führung und einem neuen Präsidenten, mit dem ich bereits ein halbes Jahr zusammengearbeitet habe, der durch und durch Eintrachtler ist und irrsinnig viel Energie hat. Die neue Führung hat sicherlich einen anderen Rhythmus und eine andere Sicht auf die Dinge, was dem Verein allerdings zweifelsohne guttun wird. Ich denke, dass mein Ausstieg so verlaufen ist, wie ich ihn mir vorgestellt und gewünscht habe. Die Übergabe des Staffelstabs ist im Grunde genommen schon viel früher passiert, da ich in der Vergangenheit immer mehr Verantwortung abgegeben habe, um die neue Führung an deren neue Aufgaben heranzuführen. 

Wie schwer wird der Abschied fallen? 

Sehr schwer. Egal, wo ich in Frankfurt bin – ich werde immer wieder angesprochen und von den Leuten mit der Situation konfrontiert, dass meine Zeit bei der Eintracht demnächst vorbei ist. Überzogen könnte man meinen, die Leute denken, dass ich bald sterbe, nur, weil ich nicht mehr Präsident sein werde. In den letzten Sitzungen nutze ich auf jeden Fall die Gelegenheit, um mich bei vielen Leuten aus dem Verein zu verabschieden und auch zu bedanken. 

Weißt du schon, was du am 6. Februar – dem Tag nach der Jahreshauptversammlung und deinem offiziellen Ausstieg – machen wirst?

Der 5. Februar wird bis tief in die Nacht andauern. Den Tag danach gehe ich ganz ruhig, entspannt und vor allem ohne Programm an. Ich denke, dass ich den Tag spät und mit einem guten und ausgiebigen Frühstück starten und mich garantiert mit niemandem treffen werde. 

Gehen wir 24 Jahre zurück. Wie ist es damals eigentlich dazu gekommen, dass du Präsident von Eintracht Frankfurt geworden bist? 

Um ehrlich zu sein, wurde ich damals ein bisschen ausgetrickst. Mir wurden einige Argumente geliefert und die ganze Geschichte schmackhaft gemacht. Wenn ich einmal in der Woche zur Präsidiumssitzung kommen würde, bekäme ich bessere Sitzplatzkarten für die Spiele und dürfe direkt vor dem Stadion parken. Eigentlich war ich jemand, der einen neuen Präsident suchen sollte, aber zum damaligen Zeitpunkt war niemand dazu bereit, dieses Amt zu bekleiden, weil sich Eintracht Frankfurt in einer sehr großen Krise befunden hat. Das hat sich inzwischen zum Glück geändert. 

Stimmt es eigentlich, dass du damals eigenhändig Briefmarken für die Post gekauft hast?
Ja, das stimmt. Es gab zwar eine Frankiermaschine, aber die war sehr teuer. Wir waren damals vier Mitarbeiter am Riederwald und ich weiß noch, dass es keine Portokasse mehr gab und wir Geld für Briefmarken auftreiben mussten, damit wir für die Mitgliederversammlung Einladungen verschicken konnten. 

Die öffentliche Wahrnehmung der Eintracht war damals nicht so, wie sie es heute ist. Ist das auch Teil der Entwicklung des Klubs zu seiner heutigen Bedeutung? 

Die Stimmung rund um Eintracht Frankfurt war damals von Grund auf negativ – sowohl von außerhalb, als auch innerhalb. Das war schon schwer zu verkraften, weil natürlich auch damals unzählige Sportlerinnen und Sportler sowie ehrenamtliche Helferinnen und Helfer mit voller Leidenschaft alles für diesen Klub gegeben haben. Heute haben wir eine gesellschaftspolitische Relevanz, wir werden zu verschiedenen Veranstaltungen eingeladen, uns wird zugehört. Das war früher undenkbar und eine solche Entwicklung ist natürlich sehr schön zu sehen. 

 

„Mir war früh wichtig, gesellschaftspolitisches Engagement bei der Eintracht zu zeigen“ – Peter Fischer

 

Was bedeutet es dir, dass die Eintracht heute eine so große Relevanz besitzt?
Im Laufe der Zeit wird dir natürlich klar, welche Verantwortung du im Verein hast. Ich war schon immer ein politisch interessierter Mensch, sodass ich mir natürlich Gedanken gemacht habe, inwiefern ich diesen Verein prägen möchte. Mir war früh wichtig, gesellschaftspolitisches Engagement bei der Eintracht zu zeigen. Ich war zum Beispiel mal zu einer Bundespräsidentenwahl geladen und habe dort den Bundeskanzler kennengelernt. Er wusste zwar, wer ich bin und was Eintracht Frankfurt ist, kannte sich aber überhaupt nicht mit Fußball aus. Deshalb haben wir nur über gesellschaftspolitische Themen gesprochen. Ich bin auch sonst zu vielen Gesprächen eingeladen worden, in denen es gar nicht um Fußball, sondern eher um Politik, Integration und die Stadtentwicklung ging. 

Können wir unserer gesellschaftlichen Verantwortung denn überhaupt gerecht werden?
Unser Markenkern ist natürlich Sport und im besten Fall eben auch der sportliche Erfolg. Das ist eine sehr ambitionierte Aufgabe, die uns zu einem Problem führt: Wer ist heutzutage noch dazu bereit, ehrenamtlich für einen Verein zu arbeiten und quasi seine Freizeit dafür zu spenden? Bei der Eintracht ist das etwas einfacher als bei kleineren Vereinen, weil wir als Bundesligaklub eine große Strahlkraft haben. Aber ohne das Ehrenamt könnten wir den Verein sofort dichtmachen. Ohne geht es nicht.  

Zu Beginn deiner Amtszeit hättest du genug Gründe gehabt, um die Verantwortung als Präsident von Eintracht Frankfurt direkt wieder abzugeben – unter anderem wegen des Abstiegs in der Saison 2000/01. War der anschließende Aufstieg zwei Jahre später der erste emotionale Wahnsinn, den du mit der Eintracht im Amt erlebt hast? 

So etwas kann man natürlich immer gut an sportlichen Parametern festmachen. Wenn man sich die ersten drei Jahre anschaut, muss man schon so ehrlich sein, dass es eine sehr schwierige Zeit war. Das Wort „Altlasten“ hört sich böse an, aber wenn man mit neuen Ideen an einen Klub herantritt, dauert es immer etwas, bis diese Ideen umgesetzt und angenommen werden. Ein Verein hat so unglaublich viele unterschiedliche Facetten, weshalb ich auch nach fast 24 Jahren nicht sagen kann, dass ich die Eintracht zu 100 Prozent in jeder Hinsicht durchdrungen habe.  

In der Weihnachtsansprache hast du gesagt, dass dich die vielen Höhen und Tiefen mit der Eintracht viel Kraft gekostet, aber auch dein Leben bereichert haben. Wie wäre dein Leben ohne Eintracht Frankfurt verlaufen? 

Mit Sicherheit nicht so facettenreich und mit nicht so unglaublichen vielen und bereichernden Begegnungen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich in der Werbebranche tätig gewesen wäre, da Kommunikation auf den unterschiedlichsten Ebenen immer Teil meines Lebens und ein Schwerpunkt war. Ich würde auch behaupten, dass ich nicht viel mehr als das kann. Handwerklich bin ich zum Beispiel sehr ungeschickt. 

Was bedeutet die Stadt Frankfurt für dich?
Ich bin mit 14 Jahren für eine Ausbildung im Kaufhaus nach Frankfurt gekommen und kannte weder die Stadt selbst noch die Leute. Ich habe die Dynamik der Stadt sofort in mich aufgesogen und wollte alles mitbekommen. In Frankfurt bin ich kaum mit der Straßenbahn gefahren, sondern viel zu Fuß unterwegs gewesen, um die Stadt bewusst wahrzunehmen und kennenzulernen. So habe ich Frankfurt schnell lieben gelernt – mit allem, was dazu gehört, den positiven und negativen Seiten. Sollte ich mal im Lotto gewinnen, könnte ich mir vorstellen, ab und zu auch in New York zu leben – aber auch nur ab und zu. Ansonsten immer in Frankfurt. 

Unser Klub bietet mehr als Fußball. Auch in anderen Sportarten können wir viele Erfolge sowie tolle Sportlerinnen und Sportler vorweisen. 

Da bin ich total stolz drauf. Unter anderem auf unsere Siebenkämpferin Carolin Schäfer, die sich die Olympischen Spiele in Paris als Ziel gesteckt hat. Dafür drücke ich ihr die Daumen. Aber natürlich auch allen anderen Sportlerinnen und Sportlern auf dem Weg, ihre Ziele zu erreichen. 

Im vergangenen Jahr ist Helmut „Sonny“ Sonneberg verstorben. Was verbindest du mit ihm?
Sonny war ein Freund von mir. Er hat mir sehr gutgetan, vor allem, weil er mir die Zeit von 1933 bis 1945 nahegebracht hat. Wenn er mir als Zeitzeuge erzählt hat, wie sein Leben zu der Zeit damals war, wie er das Konzentrationslager und sein Überleben damals wahrgenommen hat, bekommt man erstmal ein Bewusstsein dafür, was diese Politik damals für Millionen von Menschen bedeutet hat. Ich habe sehr viel von ihm gelernt und musste ihn leider schließlich auch beerdigen. 

 

„In Frankfurt bin ich kaum mit der Straßen- bahn gefahren, sondern viel zu Fuß unterwegs gewesen, um die Stadt bewusst wahrzunehmen und kennenzulernen. So habe ich Frankfurt schnell lieben gelernt.“ – Peter Fischer

 

Man hört schnell heraus, dass dir Haltung und Werte sehr wichtig sind. Welche Bedeutung haben sie für dich?
Wenn man meine Werte und meine Haltung persönlich angreift oder beleidigt, verliere ich schnell die Contenance – zum Beispiel, wenn man mir unterstellt, dass ich arrogant sei. Da werde ich zur Furie. 

Kommen wir zu einem weiteren großen Eintrachtler, der leider schon verstorben ist. Was verbindet dich mit Jürgen Grabowski? 

Eine lange Freundschaft und schöne Erinnerungen. Vor allem wird er aber auch weit über seinen Tod hinaus als der prägende Fußballspieler in der Geschichte von Eintracht Frankfurt in Erinnerung bleiben.

Einer deiner vielen Wegbegleiter ist Axel Hellmann. Was verbindet dich mit ihm? 

Als wir uns kennengelernt haben, konnte ich ganz früh feststellen, dass er eine wahnsinnig strukturierte Person ist und sehr hohe Ansprüche an sich selbst hat. Seine Euphorie und der Wille, Dinge bei der Eintracht anzuschieben und zu bewegen, haben mich sofort gepackt. Damals war er sehr jung, sodass die Vereinsführung ihn nicht als Geschäftsführer einsetzen wollte. Ich habe mich daraufhin für ihn stark gemacht, sodass er letztlich doch den Posten bekommen hat. Das war ein hartes Stück Arbeit, aber ich bin heute sehr froh darüber, dass es von Erfolg gekrönt war. 

Du bist selbst ein „Kind der Kurve“. Erklärt das auch dein gutes Verhältnis zu den Fans?
Ich weiß nicht, ob dieses Verhältnis nur aufgrund meiner eigenen Erfahrung als Fan in der Kurve schon immer so gut war. Sicherlich habe ich ein Verständnis für diese bestimmte Kultur, die dort gelebt wird, und für Menschen aus den unterschiedlichsten Generationen, die die Faszination Fußball teilen. Trotzdem finde ich nicht immer alles schön, was in der Fanszene passiert, das gehört auch zur Wahrheit dazu. Aber ich bin immer jemand gewesen, der sich für die Kurve und die Fans eingesetzt hat – egal, um was es ging. Von Präsidenten aus anderen Vereinen wurde ich aufgrund dieser Haltung manchmal auch scherzhaft als „Ultra-Präsident“ oder „Fan-Präsident“ bezeichnet. Und das, obwohl die Fans eigentlich gar keinen Präsident bräuchten – die sind oftmals sehr gut organisiert und autonom unterwegs. 

Im Zuge des Europa-League-Finals und auch schon vier Jahre zuvor beim DFB- Pokalfinale wurdest du oft mit dem folgenden Satz zitiert: „Ich will heute Nacht aus diesem Pokal saufen!“ Hast du das damals getan? 

Nicht wirklich, ich habe nur mal kurz genippt. Es schmeckt einfach nicht. Letztendlich war es nur ein Spruch, der meine Euphorie zum Ausdruck bringen und vermitteln sollte, dass wir dieses Endspiel gemeinsam als Klub unbedingt gewinnen wollen. 

 

„Wenn man meine Werte und meine Haltung persönlich angreift oder beleidigt, verliere ich schnell die Contenance – zum Beispiel, wenn man mir unterstellt, dass ich arrogant sei. Da werde ich zur Furie.“  -- Peter Fischer

 

Dir wurde früher öfter das Attribut des „Party-Präsidenten“ zugeschrieben. Hat dich das damals gestört?
Ich habe das am Anfang nicht wirklich wahrgenommen, weil es eigentlich gar nicht so war. Trotzdem muss ich sagen, dass es eine Zeit gab, in der ich mit meiner damaligen Ehefrau schon viel unterwegs war. Überdurchschnittlich viel. 

Vielleicht hast du manche in der Branche mit diesem Lebensstil ein bisschen verstört, schließlich war das Funktionärswesen nicht unbedingt an Charaktere wie dich gewöhnt ... 

Das stimmt. Deshalb wurde ich in verschiedenen Kreisen auch mit vielen Vorurteilen konfrontiert. Die haben sich auch lange gehalten – vor allem bei Menschen, die mich gar nicht kennen und noch nie ein Wort mit mir gewechselt haben. Manche haben sich später bei mir sogar dafür entschuldigt und sagten mir, dass sie mich früher völlig falsch eingeschätzt hatten. 

Hast du dir in dieser Zeit mehr Freunde oder mehr Feinde gemacht?
In meinem sozialen Umfeld ist sehr plötzlich unglaublich viel zusammengebrochen. Mir wurde auf einmal vieles übelgenommen. Manchmal habe ich Geburtstagseinladungen zweimal hintereinander abgesagt – aber nicht, weil ich keine Lust auf die Feier hatte, sondern, weil ich durch Eintracht Frankfurt gebunden war und wichtige Termine hatte. Von manchen Menschen aus meinem damaligen Umfeld habe ich mich dann bewusst getrennt, was mir sehr dabei geholfen hat, in meinem Leben ein wenig aufzuräumen.  

War es die schwierigste Entscheidung deiner Amtszeit, als Präsident aufzuhören?

Mein Amt abzugeben, war bestimmt nicht die schwierigste Entscheidung – alles ist für die Übergabe an den neuen Präsidenten vorbereitet. Auch die Rückmeldungen meiner Kolleginnen und Kollegen, dass ich ein Gesicht des Vereins sei und es unumgänglich wäre, dass ich zum Ehrenpräsidenten ernannt werden würde, hat mich sehr glücklich gemacht. Es wurde auch bereits an mich herangetragen, dass sich der Verein wünscht, dass ich Botschafter des Klubs werde, worüber ich mich sehr gefreut habe und was mich geehrt hat. Das bedeutet, dass ich hinsichtlich der Eintracht eine Perspektive habe und es Aufgaben im Verein gibt, bei denen ich unterstützend mitwirken kann.  

Wir freuen uns bereits sehr auf deine Rede bei der Jahreshauptversammlung. Hast du dir dafür schon etwas überlegt?
Bisher nicht. Mir wurde von Axel Hellmann und anderen Leuten aus dem Präsidium, die mir nahestehen, geraten, dass ich mir darüber erst ein paar Tage vor der Jahreshauptversammlung Gedanken machen sollte. Das werde ich beherzigen.