„Die Bedürfnisse der Spieler bilden die Basis“

Die Erfassung und Analyse von spiel- und spielerbezogenen Daten nimmt in der fußballerischen Ausbildung eine immer größer werdende Rolle ein. So auch im NLZ von Eintracht Frankfurt, wo Nino Berndroth als Leiter Spielkonzeption und -analyse sowie als Kaderplaner U17 bis U21 tagtäglich daran arbeitet, den Talenten des Leistungszentrums die bestmöglichen Voraussetzungen für den Sprung in den Profibereich zu schaffen. 

Text: Leonie Batke

Foto: Leon Mathieu  

Schon in seiner Jugend war Nino Berndroth, dessen Vater Ramon Berndroth von 1991 bis 1997 Co-Trainer bei Eintracht Frankfurt war, als Spieler im Nachwuchsleistungszentrum aktiv und durchlief dabei die Jugendmannschaften von den Bambinis bis zu den D-Junioren. „Ich habe meine fußballerische Karriere dann allerdings recht früh beendet und bin auf die andere Seite gewechselt“, blickt der gebürtige Frankfurter auf seinen Werdegang zurück. 2011 wurde der damals 24-Jährige Co-Trainer bei Kickers Offenbach, wo er bis 2019 Aufgaben in den verschiedensten Bereichen übernahm. „Das war wie eine Ausbildung für mich, während der ich in alle Bereiche reinschnuppern konnte“, so Berndroth. „Ich war mit verletzten Spielern auf dem Platz, habe die Mannschaft wie ein Athletiktrainer aufgewärmt und eben auch Spiele analysiert sowie Szenen für den Cheftrainer zusammengeschnitten. Irgendwann habe ich gemerkt, dass mir genau das am meisten Spaß macht.“ 

2021 kehrte Berndroth schließlich zurück an den Riederwald, wo er die Aufgabe als Videoanalyst der A-Junioren übernahm, Anfang 2023 besetzte er dann die neu geschaffene Stelle Leiter Spielkonzeption und -analyse. Als solcher ist Berndroth für die Bündelung und Auswertung der erfassten Spielerdaten verantwortlich und unterstützt die Trainer dabei, die daraus gewonnenen Erkenntnisse auf dem Platz umzusetzen. „Wir arbeiten kontinuierlich daran, einen roten Faden in der Ausbildung unserer Spieler zu entwickeln, damit gewisse Inhalte und Prinzipien aufeinander aufbauen“, so der 36-Jährige über sein Aufgabengebiet, innerhalb dessen er eng mit Alexander Reifschneider, Ausbildungsleiter und Trainerentwickler am NLZ, sowie Marc Hess, Leiter Strategie und Entwicklung, zusammenarbeitet. „Natürlich ist der Fall, dass ein Spieler von der U9 bis zu den Profis bei uns ist, sehr selten. Dennoch ist das Ziel, schon in den jüngsten Teams eine Basis zu legen, auf die du in älteren Jahrgängen aufbauen kannst.“

Ein Patentrezept gebe es dafür allerdings nicht, wie Berndroth betont: „In unserer Arbeit ist es wichtig, einfach mal zu machen und nicht zu lange über Themen zu diskutieren. Wir probieren Dinge aus und schauen dann, was wir für uns als NLZ übernehmen können.“ Er ergänzt: „Die größte Fähigkeit, die man dabei haben muss, ist, flexibel zu sein. Man muss mit verschiedenen Gegebenheiten auch kurzfristig umgehen, und unseren Jungs innerhalb der bestehenden Möglichkeiten die bestmögliche Ausbildung bieten können.“

„Am Ende geht es darum, das zu tun, was für den Spieler individuell am besten ist“ – Nino Berndroth 

Die Analyse und Auswertung von Spiel- sowie Athletikdaten nimmt in diesem Kontext eine immer größer werdende Rolle ein. Die älteren NLZ-Jahrgänge verfügen dabei mittlerweile über dieselben Systeme zur Datenerfassung wie die Profis von Eintracht Frankfurt und sammeln so wertvolle Erkenntnisse für die fußballerische Ausbildung. „Wir versuchen, messbar zu machen, was ein Jugendspieler als Profi mal leisten muss, und diese Daten dann auf die jeweiligen Jahrgänge herunterzubrechen“, erklärt Berndroth. „So können wir sehen, welche Leistungen ein Fußballer im Spiel abgerufen hat und was ihm noch fehlt, um zu dem zu kommen, was im Profibereich irgendwann von ihm erwartet wird.“  

Dennoch sprächen die Daten trotz ihrer Detailliertheit nicht für sich: „Eine Ballbesitzstatistik sagt zum Beispiel nicht viel darüber aus, ob ein Spiel aus Ergebnissicht erfolgreich war. Sie kann aber durchaus etwas darüber aussagen, ob unsere Spielphilosophie umgesetzt wurde: Wir wollen keine Umschaltmannschaften ausbilden, sondern dynamischen Ballbesitzfußball spielen. Darauf ist unsere Ausbildung ausgelegt.“ 

Die fußballerische Ausbildung und gleichermaßen auch die Datenerfassung und -analyse sind dabei ebenso individuell wie die einzelnen Spieler selbst. „Wir analysieren Spiele oder Trainingssituationen selten mit der gesamten Mannschaft, sondern vielmehr einzeln oder in Kleingruppen“, erläutert Berndroth. Gegneranalysen seien am NLZ unterdessen eine Seltenheit. „Bei uns steht im Vordergrund, welches Spiel wir auf den Platz bringen wollen, und weniger, was der Gegner macht. Gleichzeitig wollen wir den Jungs so beibringen, mit unterschiedlichsten Situationen zurechtzukommen und sich anpassen zu können. Wir geben ihnen einen Plan mit auf den Platz – für die Umsetzung sind die Spieler dann aber selbst verantwortlich.“ Er betont: „Am Ende geht es darum, das zu tun, was für den individuellen Spieler am besten ist.“ 

Dieser Philosophie entsprechend gestaltet sich auch die Kaderplanung in den älteren Jahrgängen des Leistungszentrums, für die Berndroth seit Beginn der Saison 2023/24 ebenfalls verantwortlich ist. „Unser Prinzip ist, so jung wie möglich so hoch wie möglich zu spielen. Die Basis dafür bilden aber die Bedürfnisse des Spielers und das, was für seine individuelle Entwicklung am dienlichsten ist.“ Ergebnisse und sportliche Erfolge würden bei der Entscheidung, Spieler als Jungjahrgänge in älteren Mannschaften einzusetzen, in den Hintergrund rücken: „Es geht nicht darum, was für uns als Eintracht Frankfurt das Beste ist, um das Spiel am nächsten Wochenende zu gewinnen. Wir nehmen auch gerne mal schlechtere Ergebnisse in Kauf, denn auf lange Sicht werden wir dafür mit der tollen Entwicklung unserer Talente belohnt.“

Kaderplanung und Datenanalyse gehen dabei Hand in Hand, wie Berndroth erklärt. „Wir können anhand der Daten sehen, was beispielsweise ein U19-Spiel einem Linksverteidiger abverlangt, und davon ausgehend beurteilen, ob ein jüngerer Spieler bereits dazu in der Lage ist, diese Leistungen abzurufen.“ So würde insgesamt eine Vielzahl an Faktoren berücksichtigt werden, um den einzelnen Spielern die bestmögliche Förderung zukommen zu lassen. „Wir holen in diesem Prozess zudem alle Beteiligten mit ins Boot – seien es die Mannschafts- und Athletiktrainer oder die medizinische Abteilung und treffen eine gemeinsame Entscheidung.“

Der Erfolg dieser Philosophie zeigt sich gerade in den ältesten Ausbildungsjahrgängen des NLZ. Während die U17 in der Saison 2023/24 mit sechs Jungjahrgängen an der B-Junioren-Bundesliga Süd/Südwest teilnimmt, treten Spieler wie Melvin Hellmann oder Elias Baum als 2005er Jahrgänge mit der U21 in der Regionalliga an. Mit zwölf U18-Spielern stellt die U19 darüber hinaus einen der jüngsten Kader in der A-Junioren-Bundesliga Süd/Südwest. „In diesen Jahrgängen haben wir wahnsinnig viel Talent in unseren Reihen. Da liegt es natürlich an uns, die verfügbaren Spielminuten so zu verteilen und ein so hohes Trainingsniveau zur Verfügung zu stellen, dass sich alle Spieler bestmöglich entwickeln können“, fasst Berndroth zusammen und ergänzt: „Gleichzeitig wollen wir hier nicht nur Spieler ausbilden, sondern auch Menschen entwickeln und den Jungs auch über den Sport hinaus etwas mitgeben. Unser Ziel ist nicht nur, Profis für den Deutsche Bank Park auszubilden, sondern Profis auf verschiedenen Ebenen hervorzubringen.“