Pionierarbeit in fast 100 Ländern 

FFC-Mitgründerin, Trainerin, Trägerin des Bundesverdienstkreuzes: Die hessische Frauenfußball-Pionierin Monika Staab wurde Anfang Januar 65 Jahre alt und arbeitet nach Stationen in fast 100 (!) Ländern aktuell als Technische Direktorin in Saudi-Arabien. 

Text: Paul Schönwetter
Fotos: FFC-Archiv, Alfred Harder, Jamal al Mousa, Privat 

Die „Eintracht vom Main“-Redaktion erwischt Monika Staab wenige Tage vor Weihnachten gerade in Saudi-Arabien, genauer in Jeddah, einer Hafenstadt am Roten Meer. Dort, wo die gebürtige Dietzenbacherin (Landkreis Offenbach) seit 2021 für den Frauenfußball arbeitet. Zunächst als Trainerin für den Fußballverband, mittlerweile als Technische Direktorin. Sie hat in dem arabischen Land, in dem Frauenfußball lange vom Verband weder organisiert noch strukturiert wurde und es erst seit 2020 eine nationale Liga gibt, in kürzester Zeit Strukturen geschaffen – so wie immer leistet die 65-jährige Hessin auch heute noch Pionierarbeit. Im Dezember verpflichtete der Verband mit dem Spanier Lluís Cortés den ehemaligen Erfolgstrainer des FC Barcelona, der zuletzt die ukrainische Nationalmannschaft der Frauen trainiert hat. 

„Ich fühle mich hier in Saudi-Arabien sehr wohl und freue mich, dass das, was wir hier im Frauenfußball seit einiger Zeit bewirken, immer sichtbarer wird. Ich wurde 2020 gefragt, ob ich hier einen C-Lizenz-Trainerinnen-Lehrgang absolvieren kann, der erste in Saudi-Arabien. Das Land war für mich noch ein weißer Fleck auf der Landkarte, ich hatte außer Jemen und eben Saudi-Arabien bereits jedes Land in Asien bereist. Da habe ich gedacht, das muss ich auch noch mitnehmen. Das, was hier in Saudi-Arabien passiert, im Frauenfußball, ist eine Entwicklung, die das ganze Land betrifft. Der Kronprinz möchte die Frauen fördern und zum Sport animieren, die Gesellschaft soll gesünder werden“, erzählt Staab. „Dass wir nun mit Lluís so einen Trainer verpflichten konnten, ist ein großartiges Zeichen. Er hat mir erklärt, dass er in Barcelona 20 Jahre für den Frauenfußball und die Anerkennung in der Gesellschaft gekämpft hat. Ich sage immer: Gebt den Frauen einen Fußballplatz, lasst uns kicken, den Rest machen wir Frauen schon. Lluís kennt sich bestens im Frauenfußball aus und hat im Wissen um die riesengroße Herausforderung den Job angenommen. Er war mittendrin in der Entwicklung des spanischen Fußballs, die dazu geführt hat, dass U20 und A-Nationalmannschaft aktuell Weltmeister sind.“  

Staab baute in Jeddah, Dammam und der Hauptstadt Riad drei Akademien mit auf. Erstmals wurde ein U17-Wettbewerb eingeführt, der vor zwei Jahren ins Leben gerufene Schulwettbewerb steigerte sich von 48.000 auf 70.000 Teilnehmerinnen. Seit Staabs Arbeit wurden 28 B-Lizenztrainerinnen, 172 C-Lizenztrainerinnen und 800 D-Lizenzlehrerinnen ausgebildet. Auf Nationalmannschaftsebene rief sie eine U17 und U20 ins Leben, eine U15-Mannschaft sei in Planung – die Basis sei „die Jugendarbeit“. Nun haben in Saudi-Arabien Mädchen erstmals die Chance, regelmäßig Fußball zu spielen. Dafür hat die Weltenbummlerin gesorgt. Sieben der acht Teams in der ersten Liga gehören zu Männerlizenzvereinen. Das Land gilt als fußballverrückt, steht aber auch aufgrund der Menschenrechtslage in der Kritik. Staab betont, das Land öffne sich und setze auf Frauenfußball – sie weiß aber auch, „Länder nicht politisch verändern“ zu können. 

Geboren ist Monika Staab am 9. Januar 1959 in Dietzenbach, wo sie danach auch aufwuchs. Die dortige Bäckerei ihrer Eltern, in der sie oft neben ihren Fußballtätigkeiten mitarbeitete, war lange Heimat und Treffpunkt für den 1. FFC Frankfurt. Den FFC, der vor dreieinhalb Jahren mit Eintracht Frankfurt fusionierte, gründete Staab 1998 mit, führte ihn als Vereinsvorsitzende und Trainerin zu vielen Erfolgen (vier Deutsche Meistertitel, fünf Pokalsiege, erster Gewinner des UEFA-Pokals 2002) und formte mit dem Frankfurter Verein einen Weltklasseklub.  

Mit elf Jahren hatte sie ihre aktive Karriere begonnen. Staab spielte unter anderem bei Kickers Offenbach, der SG Rosenhöhe und der NSG Oberst Schiel Frankfurt, wobei sie mit der letztgenannten Niederräder Schützengesellschaft 1977 sogar das Finale um die Deutsche Meisterschaft erreichte und nur knapp der SSG 09 Bergisch Gladbach unterlag. Nach Stationen bei Paris Saint-Germain, den Queens Park Rangers aus London und dem FC Southampton landete sie 1984 bei der SG Praunheim, dem Vorgängerverein des FFC. Acht Jahre als Spielerin, sechs als Trainerin – Frankfurter Frauenfußball ohne Monika Staab: unvorstellbar. 

Auch heute verfolgt sie die Entwicklung „ihres Babys“, wie sie den FFC liebevoll nennt: „Ich habe die Eintracht jetzt schon ein paar Mal spielen sehen. Wann immer ich in Frankfurt bin, versuche ich, mir Spiele anzuschauen. Aber auch aus der Ferne verfolge ich die Entwicklung. Ich bin froh, dass der Frauenfußball in Frankfurt weiterlebt und es ihn auf einer so großen Bühne gibt. Es freut mich auch, dass die Eintracht den Frauenfußball ernsthaft unterstützt. Denn keine Frage: Frankfurt und Frauenfußball gehören einfach zusammen. Mit der Fusion des 1. FFC Frankfurt ist natürlich auch etwas zu Ende gegangen. Eine lange Geschichte und eine lange Tradition, die jetzt in einem anderen Stil weitergeführt werden. Wir waren immer eine große Familie und ich war sehr stolz darauf, dort Vorsitzende gewesen zu sein.“ 

In der Anfangszeit bei der SG Praunheim war es nicht immer einfach. Sowohl als Spielerin in 20 Jahren im Frankfurter Norden (Praunheim/ FFC), wo sie in allen vier Mannschaften spielte, als auch später als Trai- nerin musste Monika Staab einige Hürden nehmen, um schließlich mit der Gründung des 1. FFC Frankfurt 1998 eine Erfolgsgeschichte mitzuschreiben, die seit 2020 unter dem Adlerdach fortgeführt wird. „Bei der Eintracht ist der Frauenfußball ein fester Bestandteil des Vereins, wird ernst genommen und die Mannschaft hat anders als in meiner Anfangszeit Top-Trainingsbedingungen. Zu Praunheimer Zeiten haben wir erst um 21 Uhr, wenn die Männer fertig waren, auf dem Ascheplatz trainieren dürfen. Auch als wir dann am Stadion am Brentanobad trainiert haben, war es nicht so, dass wir immer auf den Rasenplatz gehen konnten. Oft mussten wir ausweichen, Plätze suchen und waren auf dem knochenhart-gefrorenen Kunstrasen im Winter. In dieser Zeit habe ich in Deutschland viele Kämpfe durchmachen müssen. Wir waren unser eigener Verein und hatten dabei zu Anfangszeiten bei der SG Praunheim nur eine erste Mannschaft. Wir waren gerade mal neun Spielerinnen. Zeitgleich habe ich eine Jugendmannschaft trainiert, in der wir nur fünf Spielerinnen waren.“ 

 

„Es freut mich auch, dass die Eintracht den Frauenfußball ernsthaft unterstützt“ – Monika Staab

 

Beim FFC entdeckte sie unter anderem Steffi Jones, „die ich sozusagen auf der Straße in Bonames aufgelesen hatte“, und baute bis zu ihrem Weggang Ende 2006 beim FFC zusammen mit Siegfried Dietrich einen erfolgreichen Unterbau auf. „Wir hatten insgesamt vier Mannschaften, die alle in den vier obersten Ligen gespielt haben. Zusätzlich hatten wir sechs Jugendmannschaften mit mehr als 160 Mädchen von der U10 bis zur U17. Insgesamt waren wir 450 Mitglieder im Verein, der FFC Frankfurt war also mehr oder weniger mein Baby, das ich habe groß werden lassen, bis es jetzt von der Eintracht übernommen wurde.“ 2004 hatte Staab als Trainerin beim FFC aufgehört, zwei Jahre später gab sie auch das Amt der Präsidentin ab. 

Anschließend begann die Weltreise im Auftrag des Frauenfußballs. Staab arbeitete seit 2007 in mehr als 90 Ländern, half unter anderem in Bahrain, Gambia, Usbekistan und dem Oman, den Frauenfußball dort zu entwickeln, die Frauen-Nationalmannschaften in Katar oder Pakistan hat sie aufgebaut. Geschichten gibt es von jeder ihrer Reisen zu erzählen. 

„Ich habe mich überall, sei es in Nordkorea, in China oder im Iran sehr wohlgefühlt. Das mag sich etwas komisch anhören, aber für mich war die Mission immer, etwas für den Frauen- und Mädchenfußball zu tun. Ich konnte viele Anstöße geben und die richtigen Knöpfe drücken. Jedes Land ist besonders, einzigartig und hat seine eigene Geschichte. Es war immer ein Abenteuer für mich, mit den Mentalitäten der Menschen zurechtzukommen, die Kulturen zu verstehen und sich anzupassen.“ 

Es habe aber natürlich auch Momente gegeben, die schwierig waren. „In Myanmar ist uns bei einem Tornado das ganze Hotel weggeflogen und in Islamabad wurde das Hotel von Terroristen angegriffen. Auch bei meinem Aufenthalt in Ägypten ereignete sich kurz zuvor ein Bombenattentat.“ Aber es überwiege das Positive. „Den Frauen- und Mädchenfußball zu fördern, Frauen zu helfen, meine Expertise weiterzugeben, macht mich stolz.“ 

Eine ihrer Lieblingsstationen: Bhutan, dort, wo die Menschen trotz Armut zu den glücklichsten der Welt zählen: „Bhutan ist zwar ein armes Land, aber unglaublich reich an Glückseligkeit. Du brauchst nicht viel, um glücklich zu sein. Es reicht, einen Ball unter dem Arm zu haben und ein paar Mädchen einfach spielen zu lassen. Dann sind sie glücklich. Manchmal muss ich mich kneifen, ob ich das nun wirklich alles erlebt habe. Die Menschen sind einfach dankbar, dass du da bist.“  

Und schon hat sie noch eine weitere Anekdote auf Lager aus einem Land, von dem man es vielleicht nicht sofort erwartet. „In Nordkorea wurde ich von dem Trainerteam, das ich ausgebildet hatte, bis zum Flughafen begleitet. Nachdem ich in die Maschine eingestiegen war, haben sie immer noch auf dem Rollfeld gestanden. Das sind Momente im Leben, in denen du merkst, dass du etwas Sinnvolles machst. Du gibst anderen Menschen etwas und sie geben dir ein Lächeln zurück. Dieses Lächeln ist mit nichts zu ersetzen.“  

Das Jahr 2023 war für die Dietzenbacherin sehr besonders. Für ihre Verdienste wurden ihr das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse sowie die Sportplakette des Landes Hessen verliehen, bereits 2014 erhielt sie für ihr Engagement den Hauptpreis als „Deutscher Fußball Botschafter“. Mit einem Augenzwinkern erzählt Staab mit ihrem hessischen Idiom: „Hat ja auch etwas gedauert, bis es die verdiente Anerkennung für jahrelange Pionierarbeit gab. Das tut gut.“ 

Auch abseits ihrer Arbeit in Saudi-Arabien ist sie viel unterwegs. Bei der WM im vergangenen Jahr bereiste Staab Australien und Neuseeland und freut sich über die Entwicklung einiger Länder, in denen sie selbst schon aktiv war: „Vietnam hat tapfer gekämpft. Marokko hat mit seinen Leistungen und dem Sieg über Kolumbien gezeigt, dass sie mithalten können. Das zeigt, dass diese Mannschaften aufholen. Die Philippinen haben ihren ersten Sieg jemals bei einer Weltmeisterschaft errungen. Panama hat Frankreich drei Tore eingeschenkt. Das macht mir Freude, dass die Weltspitze enger zusammenrückt. Die Matildas hatten eine riesige Zuschauerkulisse, sind bis ins Halbfinale gekommen und haben das ganze Land auf den Kopf gestellt. So wurden alle, die gedacht haben, eine WM mit 32 Mannschaften könne man nicht durchführen, eines Besseren belehrt. Für mich ist das ein tolles Zeichen, dass Pionierarbeit jetzt Früchte trägt und auch kleinere Nationen aufholen.“ 

 

„Es reicht, einen Ball unter dem Arm zu haben und ein paar Mädchen einfach spielen zu lassen. Dann sind sie glücklich.“ – Monika Staab

 

Eine besondere Freude bereitete ihr auch eine sportpolitische Geschichte. „Die tollste Errungenschaft war, dass mit der Marokkanerin Nouhaila Benzina eine erste Frau mit einem Hijab bei einer Weltmeisterschaft gespielt hat. Das ist für mich ein großes Geschenk, weil wir so lange mit der FIFA darum gekämpft haben, dass Frauen, die einen Hijab tragen, auch auf dieser Weltbühne spielen dürfen.“ 

Wer überall unterwegs ist, dem stellt sich die Frage, wo überhaupt Heimat ist. „Dietzenbach als der Ort, an dem ich aufgewachsen bin, ist natürlich meine Heimat. Ich bin dort geboren und meine Schwester wohnt noch dort. Damals war es noch ein kleines Dorf, in dem wir bei meinen Eltern in einer Bäckerei groß geworden sind. Daher ist es immer ein Stück Heimat, wenn man zurückkommt. Ich habe in Hessen noch sehr viele Freunde. Ich weiß aber nicht, ob ich später mal das Gefühl haben werde: ‚So, jetzt habe ich genug und werde mich sesshaft niederlassen.‘ Denn mir macht Reisen sehr viel Spaß.“ 

Diese Leidenschaft entdeckte sie schon früh. Sie war mehrere Monate in einem Kibbuz in Israel, lebte drei Monate in Kanada und den USA, verbrachte Jahre in Paris und England. „Ich habe viele Reisen in meinem Leben gemacht und war durch den Fußball eigentlich immer unterwegs. Beim Fußball ist es schön, dass man so viele Menschen kennenlernt, sich austauscht. Viele verfolgen auch heute noch meine Arbeit und danken mir für das, was ich ihnen als Trainerin, als Vorsitzende oder Freundin geben konnte.“ 

Eines ist Staab aber besonders wichtig, egal, wo auf der Welt: „Ich möchte, dass wir friedlich miteinander leben. Der Fußball hat diese Kraft, die Menschen zu vereinigen. Das habe ich auch in Israel und Palästina erlebt. Fußball baut Brücken und bringt Menschen zusammen, was aufgrund von politischen Situationen sonst nicht möglich wäre. Durch den Fußball kann man vieles bewegen. Es geht nicht nur ums Gewinnen oder Verlieren. Der Sport vermittelt wichtige soziale Werte: Integration, Fairplay, Toleranz, Respekt. Das sind für mich die entscheidenden Werte. Wenn das passiert, dann fühle ich mich zu Hause. Egal, wo ich gerade bin.“ 

Bleibt die Frage, ob es mit 65 Jahren und so vielen bereisten Ländern noch eine offene Wunschstation gibt, bei der Staab Pionierarbeit leisten könnte: „Ich wurde in letzter Zeit viel gefragt, ob der Job als deutsche Nationaltrainerin nichts für mich wäre (lacht). Damit beschäftige ich mich aber nicht. Ich lebe von einem tollen Abenteuer zum anderen. Es ist so wertvoll für mich, dass ich einfach nur glücklich sein möchte und ich zusätzlich noch ein paar Mädels auf der Welt mit Fußball glücklich machen kann. Ich habe bisher noch niemals einen Schritt bereut, den ich gemacht habe. Bei der Vielzahl an Stationen in meiner Laufbahn finde ich das wunderbar.“