In beste Gesellschaft
Ein Fußballleben für Schwarz-Weiß, Schnuppertag gegen Mainz, Teil der 2005er-Elite und
Sinnbild für den französischen Einschlag in Frankfurt. Das ist Jean-Mattéo Bahoya.
Text: Daniel Grawe
Fotos: Bianca Jockel
Ein, zwei Klicks durch das Instagram-Profil von Jean-Mattéo Bahoya, und es wird deutlich, dass hier kein 18-Jähriger gezwungenermaßen seine Zelte in Angers abgebrochen hat. Der Stadt, die die zweiten neun Jahre Bahoyas privat wie sportlich maßgeblich geprägt haben.
„Mein halbes Leben lang habe ich die Farben Schwarz und Weiß vertreten. Es ist schwierig, meine ganze Verbundenheit und Dankbarkeit für diesen Verein in ein paar Zeilen auszudrücken. Von ganzem Herzen möchte ich allen meinen Trainern, dem professionellen Personal, den Managern und meinen Teamkollegen danken, die zu meiner Entwicklung beigetragen und mir die besten Bedingungen ermöglicht haben.“
Nein, hier hat sich jemand ganz bewusst entschieden, Ende Januar 2024 die Reise ins Herz von Europa anzutreten, wie Bahoya im Zuge seiner Verpflichtung bei EintrachtTV erklärte: „Die Eintracht ist ein Klub, der einen guten Ruf hat. Ich habe mit dem Trainer und dem Sportvorstand telefoniert. Sie haben mich überzeugt, wie interessant der Verein ist. Außerdem denke ich, dass Deutschland gut zu mir passt.“
„Mein halbes Leben lang“ in Schwarz und Weiß
Ein Umstand, den auch Markus Krösche am Abend der Verpflichtung würdigte: „Er ist sicherlich eines der größten französischen Talente momentan. Deshalb sind wir sehr froh, dass sich Jean-Mattéo mit seiner Familie für uns entschieden hat.“ Er attestiert dem Franzosen „unheimliche Fähigkeiten“ und fügt auf einer Linie mit Coach Toppmöller an: „Er ist ein sehr schneller sowie technisch und im Dribbling sehr guter Spieler. Sehr gutes Eins-gegen-eins, toller Speed, sowohl auf den Außenbahnen als auch auf einer hängenden Position im Mittelfeld einsetzbar.“
So gesehen bleiben Bahoya, nicht nur für den Eintracht-Sportvorstand „eines der größten französischen Talente momentan“, zumindest die Vereinsfarben in Teilen erhalten. Statt „Allez le SCO“ heißt es langfristig, wie der Fünfeinhalbjahresvertrag bis Mitte 2029 nahelegt, „Forza SGE“.
Entsprechend wichtig ist es den Verantwortlichen, neben all den Vorzügen, die der flexible Offensivmann mitbringt, den Fokus auf die Perspektive und weniger die kurzfristige Erwartungshaltung zu lenken. „Wir wissen um sein großes Talent – deshalb haben wir ihn verpflichtet“, erklärte Dino Toppmöller am Freitagabend. Der Cheftrainer machte bewusst, dass es sich „um ein Invest in die Zukunft“ handele. „Wenn es die nahe Zukunft ist, würde uns das natürlich freuen“, schob er lächelnd nach: „Aber er erhält genauso die Zeit wie die anderen Jungs vor ihm auch.“
Weil nach dem Heimsieg gegen den 1. FSV Mainz 05 am Sonntag und Montag frei war, hat das Trainerteam den vierten Winterneuzugang neben Donny van de Beek, Sasa Kalajdzic und Hugo Ekitiké „noch nicht ein Mal im Training gesehen“, wie Toppmöller aufzeigte und gleichzeitig gewillt ist, die Akklimatisierung im Rahmen der eigenen Möglichkeiten zu erleichtern: „Wir haben ihn bewusst als 21. Mann mitgenommen, damit er die Abläufe kennenlernt. Er war im Hotel und bei der Teambesprechung dabei, hat sich auch auf dem Platz aufgewärmt, um die Atmosphäre kennenzulernen.“
„Es waren unglaubliche Eindrücke. Die Stimmung und wie die Fans die Mannschaft andauernd gepusht haben. Ich möchte für die Fans spielen und Leistung bringen. Mir hat dieser Besuch sehr viel Spaß gemacht und noch mehr Motivation gegeben, hier antreten zu wollen“, schwärmte der Neuling wenige Tage später bei seiner offiziellen Vorstellung.
So war die neue Nummer 19 schon am 19. Spieltag etwas mehr mittendrin statt nur dabei und sah das 1:0 hautnah auf der Bank neben Teammanager Patrick Zeilmann, der genau wie Chefcoach Toppmöller oder Co-Trainer Nélson Morgado fließend Französisch spricht. Erstmals war Bahoya als Joker bei der 0:2-Niederlage am 20. Spieltag beim 1. FC Köln gefragt.
Grundsätzlich fühlt sich der Tempodribbler auf dem linken Flügel am wohlsten. „Ich binde die Abwehrspieler, nutze meine Schnelligkeit im Eins-gegen-eins aus und bringe dann Flanken rein oder komme zum Torabschluss mit meinem rechten Fuß. Durch meine Ausbildung kann ich aber auf verschiedenen Positionen spielen.“
Bei Jugendklub SCO Angers zunächst in der Ligue 1, nach dem Abstieg zuletzt eine Etage tiefer. Die Spielklasse ist für Bernard Diomède jedoch unerheblich, wenn der so bezeichnete Fachübungsleiter der U19-Auswahl Frankreichs Bahoya seit Monaten regelmäßig zu Lehrgängen und Länderspielen nominiert. Derlei Berufungen sind umso bemerkenswerter, als es sich bei dieser Auswahl der begabtesten 2005er-Jahrgänge um die U17-Europameister von 2022 handelt. Der heutige Leipziger El Chadaille Bitshiabu, Bayerns Mathys Tel, PSG-Hoffnungsträger Warren Zaïre-Emery oder mit Elyas Zidane und Aaron Malouda zwei Söhne einstiger Weltstars, um nur die Hälfte zu nennen.
Der in Montfermeil, einem Vorort von Paris, geborene Bahoya kann mit solchen namentlichen Referenzen nicht aufwarten, sondern möchte sich selbst einen Namen machen. Auch deshalb erschien ihm der Wechsel von der Seine an den Main der logische. Es wirkt bezeichnend, wenn die alten Kollegen, trotz des Abgangs mitten im Kampf um den Aufstieg Lorbeeren hinterherwerfen, statt Steine in den Weg zu legen: „Sie haben mir dazu gratuliert, dass ich auf ein anderes Level wechseln kann. Sie haben sich wirklich für mich gefreut und mir viel Erfolg gewünscht“, verrät Bahoya mit Stolz in der Stimme.
Salut, Jean-Mattéo!