Niels Nkounkou

„Für mich war der Wechsel nach Frankfurt eine Art Belohnung für all die mühen, die ich auf mich genommen habe. Ich habe in vielen Ländern gespielt und bin viel gereist. Hierher zu kommen und ein Teil dieses Vereins zu sein, ist sicherlich die größte Auszeichnung, die ich bisher in meiner Fußballer Karriere erreicht habe.“ 

Mit seinen 23 Jahren hat Niels Nkounkou schon einiges erlebt. Carlo Ancelotti holte den Franzosen nach England, leihweise wechselte er von dort nach Belgien und zurück in seine Heimat Frankreich. Er war Teil der französischen Mannschaft bei den Olympischen Sommerspielen in Tokio und nimmt sich vor, auch in diesem Jahr in Paris vor Ort zu sein – ob als Spieler oder Zuschauer, wird die Zukunft zeigen. Im „Eintracht vom Main“- Interview spricht Nkounkou über prägende Schritte, Carlo Ancelotti, seinen Weg zum Adlerträger und die Besonderheit, dass die Spiele in diesem Jahr in seiner Heimatstadt stattfinden.

Interview: Michael Wiener, UEFA
Fotos: Max Galys

Niels, was fällt dir zu „Tokio 2021“ ein?
Meine Teilnahme an den Olympischen Spielen in Tokio natürlich! 

Wie hast du reagiert, als du von deiner Nominierung erfahren hast?
Es ist unvergesslich. Eine Teilnahme an den Olympischen Spielen ist eine unglaubliche Chance für Fußballer wie mich. Nicht jeder Spieler bekommt solch eine Gelegenheit. Das ist etwas, das jeder einmal erlebt haben möchte. Ich war zu dieser Zeit beim Everton FC. Als ich gehört habe, dass der Trainer [Sylvain Ripoll; Anm. d. Red.] mich für die Spiele braucht, war ich fest entschlossen und wollte unbedingt dabei sein. Ich brauchte aber die Zustimmung meines Vereins. Es ist immer schwierig für die Klubs, ihre Spieler abzustellen. Ich hatte Glück, dass mein Mannschaftskollege Richarlison für Brasilien bereits die Zustimmung erhalten hatte. So durfte ich auch nach Tokio. 

Wie sind deine Erinnerungen an die Eröffnungszeremonie?
Es war ein oder zwei Tage nach unserem ersten Spiel. Wir liefen zusammen mit allen anderen Nationen ein. Das war ein unglaublicher Moment, den ich nie vergessen werde. 

Die Spiele fanden während der COVID- 19-Pandemie statt. Es war schwierig, sich in Gruppen zu versammeln. Hattest du dennoch die Chance, andere Athleten kennenzulernen und etwas olympisches Flair zu erleben?
Ja. Vor allem die amerikanischen Basketballer, darunter Weltklassespieler, zu sehen, war ein echtes Vergnügen. Wir hatten leider keine Zeit, ein paar Fotos zusammen zu machen, weil sie direkt vor uns bei der Parade einliefen. Wenn ich die Chance gehabt hätte, hätte ich sicherlich welche gemacht. Außerdem war Tokio beeindruckend. Wir konnten aufgrund der Pandemie nicht viel unternehmen. Aber die Zeit im Olympischen Dorf mit den anderen Athleten aus all den verschiedenen Sportarten zu verbringen, war fantastisch.

Hast du dir Souvenirs mitgebracht?
Im Olympischen Dorf gab es nicht viele Möglichkeiten, etwas zu kaufen. Das Komitee hat uns aber einige Souvenirs von den Spielen selbst geschenkt. Das hat mir ziemlich gut gefallen. Die Olympischen Spiele finden 2024 in Paris statt. 

Wie siehst du deine Chancen, dass du nominiert wirst?
Es wäre natürlich unglaublich und sehr besonders für mich, weil ich im Großraum Paris aufgewachsen bin. Mich würde es sehr stolz machen. Da jedoch nur drei Spieler nominiert werden dürfen, die über 23 Jahre alt sind, wird es sehr schwer. Für die französischen Athleten wird es auf jeden Fall eine großartige und einmalige Erfahrung sein. 

Wie wirst du die Olympischen Spiele verfolgen, solltest du nicht nominiert werden?
Zum Großteil im Fernsehen. Einige Wettkämpfe werden in Cergy-Pontoise ausgetragen, meinem Heimatort, sodass ich hoffentlich die Gelegenheit habe, dorthin zu fahren und unsere französischen Sportler vor Ort zu unterstützen. Dort wird mit Sicherheit einiges los sein. 

Wie meinst du das, welche Rolle spielte dein Vater in deiner Karriere?
Mein Vater war Fußballtrainer der zweiten Mannschaft in Cergy-Pontoise und hat mich bereits früh zu seinen Spielen mitgenommen, wo ich vom Spielfeldrand aus zugeschaut habe. Ihn habe ich oft begleitet. Meine zwei Brüder und ich sind sozusagen auf dem Sportplatz aufgewachsen.

Hat er dich später auch mal trainiert?
Nicht wirklich. Mein Vater wollte meine Brüder und mich eigentlich nicht trainieren. Aber immer wieder war er bei unseren Mannschaften als Co-Trainer aktiv. 

Auf dem Feld bist du ein Linksverteidiger. War das schon immer deine Position?
Nein, ich habe anfangs auf dem linken Flügel gespielt, also eher in der Offensive. Ich bin schon immer mit viel Schwung und Tempo nach vorne marschiert, habe viele Flanken geschlagen und Tore geschossen. Ich hatte einen guten Abschluss, konnte aber nicht gut verteidigen. Mein Vater hat meinem Trainer eines Tages empfohlen, mich nach hinten zu stellen, um meine Defensivarbeit zu verbessern und ein kompletterer Spieler zu werden. 

Deine Qualitäten haben auch Carlo Ancelotti überzeugt, einen Trainer mit zahlreichen Erfolgen bei vielen Vereinen. Erzähl uns von dem Gespräch mit ihm, als er dich zum Everton FC holte.
Ich war damals mit meiner ganzen Familie zu Hause und wir haben mit meinem Agenten und dem Sportdirektor des Klubs gesprochen – in einer Videokonferenz, zu der plötzlich Ancelotti dazugestoßen ist. Ich kannte ihn vorher nur aus dem Fernsehen und dachte, ich würde ihn erst sehen, wenn ich beim Klub ankomme. Doch es passierte früher als erwartet. Wir konnten uns ein wenig austauschen, was mich noch einmal mehr davon überzeugt hat, zu Everton zu gehen. Ein weiterer Moment, der mir auf ewig in Erinnerung bleiben wird. 

Worüber habt ihr gesprochen?
Wir haben über das Projekt gesprochen, das er um mich herum aufbauen wollte. Ancelotti wollte wissen, ob ich bereit bin, mich dem Klub anzuschließen. 

Wie waren die ersten Trainingseinheiten unter Ancelotti?
Das Training unter ihm hat mich sehr geprägt. Ich denke, dass viele ihn gern einmal als Trainer hätten. Mir hat er als junger Spieler sehr viel beigebracht. Ancelotti ist jemand, der sowohl als Fußballer als auch als Trainer eine großartige Karriere aufzuweisen hat. 

Du bist leihweise nach Belgien und Frankreich gewechselt, viel umgezogen und hast kulturelle Veränderungen durchlebt. Diese Zeit war nicht gerade einfach, oder?
Es war eine Zeit, in der ich mit vielen Dingen konfrontiert wurde. Im ersten Jahr bei Everton musste ich eine neue Sprache lernen, hatte aber das Glück, dass ich französische Mitspieler wie Lucas Digne und Abdoulaye Doucouré hatte, die mir sehr helfen konnten. 

Welche Rolle hat deine Familie gespielt, als du nach England gegangen bist?
Ich habe meine Familie sehr früh verlassen, weil ich zu Olympique de Marseille gewechselt bin. Das war für mich als junger Spieler nicht einfach, vor allem, als ich eine Zeit bei Everton hatte, in der es nicht gut lief. Ich habe wenig gespielt. Psychologisch war es schwierig, weil meine Familie weit weg war. Mein Bruder war aber bei mir. Unter anderem half er mir, mental stark zu bleiben. 

Im vergangenen Sommer bist du schließlich nach Frankfurt gewechselt. Was bedeutet der Wechsel zur Eintracht für dich und hast du auch die Hoffnung, dass nun mehr Konstanz in deine Karriere kommt?
Für mich war der Wechsel nach Frankfurt eine Art Belohnung für all die Mühen, die ich auf mich genommen habe. Ich habe in vielen Ländern gespielt und bin viel gereist. Hierher zu kommen und Teil dieses Vereins zu sein, ist sicherlich die größte Auszeichnung, die ich bisher in meiner Fußballerkarriere erreicht habe. 

Ist es dir in Frankfurt leichter gelungen, dich zu integrieren und Fuß zu fassen?
Ja, weil wir französische Spieler im Team haben und viele Leute im Verein, sowie auch der Trainer, meine Sprache sprechen. Das ist ein Vorteil für uns junge französische Spieler. 

Wie war dein erster Einsatz als Adlerträger?
Es ging alles so schnell. Ich habe mein letztes Spiel bei AS Saint-Étienne absolviert und bin in den letzten Tagen des Transferfensters gewechselt. Für das Spiel am Samstagnachmittag [Heimspiel gegen den 1. FC Köln; Anm. d. Red.] hat mich der Trainer direkt in den Kader berufen. Ich saß zunächst auf der Bank und in der Halbzeitpause fragte er mich, wie lange ich spielen könne. Ich war so aufgeregt, dass ich „20 Minuten“ geantwortet habe, obwohl ich wusste, dass es aus konditionellen Gründen schwierig werden würde. Aber ich wollte so schnell wie möglich spielen. 

Und dann?
Dann habe ich mich aufgewärmt, bin ins Spiel gekommen und es ist passiert. Bei meiner dritten oder vierten Ballberührung habe ich den 1:1-Ausgleichstreffer erzielt. Damit habe ich nicht gerechnet. Ein Tor bei meinem Debüt. Meine ganze Familie war vor Ort, ich hatte vor ihren Augen in meinem neuen Zuhause ein Tor geschossen. Das war schon außergewöhnlich. 

Vor allem für einen Linksverteidiger. Wie würdest du deinen Spielertyp beschreiben?
Ich bin ein Spieler, der gern nach vorne geht und das Glück hat, schnell zu sein und eine natürliche Fitness zu haben. Ich bin ein sehr angriffsorientierter Spieler, der gern Flanken schlägt, es in Eins-gegen-eins-Situationen mit seinen Gegenspielern aufnimmt und gern offensiv spielt. Ich bin aber auch ein guter defensiver Spieler, auch wenn ich mich in diesem Bereich sicherlich noch verbessern kann. Daran arbeiten wir zusammen mit dem Trainerteam. Ich bin ursprünglich als linker Mittelfeldspieler ausgebildet worden und verstehe die Rolle des Verteidigers immer besser. Es gibt aber noch einige Dinge, an denen ich arbeiten muss. 

Wie beurteilst du dein erstes halbes Jahr in Deutschland?
Ich denke, dass die erste Hälfte der Saison für mich eine Art Anpassungsphase war: neue Liga, neue Formationen, neue Spielanlage. Die vielen Reisen waren herausfordernd und spannend. Dabei habe ich reichlich Spielzeit bekommen, auch bei einigen Spielen auf europäischer Ebene. Ich möchte nun weiter in die Mannschaft und die Liga reinwachsen. Was können wir von dir für den Rest der Spielzeit erwarten? Ich hoffe auf einen erfolgreichen Abschluss der Saison, für mich persönlich und als Team.