Der
Erste!
Am 17. August 1974 feiert Eintracht Frankfurt den ersten
DFB-Pokalsieg der Vereinsgeschichte. Im Finale von Düsseldorf wird der
Hamburger SV mit 3:1 nach Verlängerung geschlagen. Trinklein (40.), Hölzenbein
(95.) und Kraus (115.) treffen. Ein Rückblick auf die Pokalsaison 1973/74 mit
einem verspäteten Endspiel, das fast in hessischer Hand gewesen wäre.
Die DFB-Pokalsaison 1973/74 und der damit verbundene erste
Triumph der Eintracht in diesem Wettbewerb, werden immer wieder mit zwei
bestimmten Szenen verbunden. Diese trugen sich gar nicht in der sportlich
entscheidenden Phase des Endspiels, das über 120 Minuten andauerte, zu.
Stichworte Campari/Grabowski und Kalb/Elfmeter. Ohne diesen Strafstoß wären die
Adlerträger vielleicht gar nicht ins Finale von Düsseldorf gekommen, und ohne
Jürgen Grabowski mit Pokal in der Hand im HSV-Trikot würde man vielleicht gar
nicht mehr so viel von den Feierlichkeiten auf dem Rasen des Rheinstadions
sprechen.
Denn für Irritationen beim Sponsor hatte nach dem Schlusspfiff
der frischgebackene Weltmeister Grabowski gesorgt. Etwas voreilig hatte Grabi
sein Trikot mit dem seines Gegenspielers getauscht und nahm nun den Pokal im
„falschen“ Dress entgegen. Für den Werbepartner der Unterlegenen sicher ein
Glücksfall, nicht aber für den Sponsor der Eintracht. Nach einer Intervention
kehrte Grabi noch einmal mit dem „richtigen“ Shirt vor die Kameras der
TV-Sender und Fotoreporter zurück. Vor einigen Jahren hat Grabowski übrigens
schmunzelnd berichtet, dass die Firma Campari ihm zum Dank ein Paket mit
einigen Flaschen hat zukommen lassen. Zitiert wurde Grabi nach Spielende
übrigens mit den Worten: „Der Pokalsieg ist für mich genauso wichtig wie der
Gewinn der Weltmeisterschaft!“ Zwei Jahre zuvor war Grabowski bereits Europameister
geworden.
Die Geschichte um den Elfmeter von Jürgen Kalb spielte sich
im Halbfinale beim Stand von 2:2 ab. Bernd Hölzenbein wird gefoult, es gibt
Elfmeter, das Team vom „Holz“ siegt. Was klingt wie Deutschlands Weg zum
Weltmeistertitel 1974, als Paul Breitner im Finale einen Elfmeter gegen die
Niederlande verwandelte, ist die Geschichte zum vielleicht wichtigsten Tor von
Jürgen Kalb. 62.000 Zuschauer sind an jenem 13. April 1974 ins Frankfurter
Waldstadion gekommen, als die in der Bundesliga gerade auf Rang vier verdrängte
Eintracht den Tabellenführer FC Bayern München empfängt.
„Mich
hat das Gerede eigentlich mehr von meiner eigenen Aufregung abgelenkt als
beunruhigt“ -- Jürgen Kalb über die Situation vor dem
Elfmeter gegen den FC Bayern München in der 90. Minute des Halbfinals –
Als Hölzenbein in der 90. Minute zu Fall kam, zeigte der
Schiedsrichter auf den Elfmeterpunkt – eine umstrittene Entscheidung. Sei’s
drum, Kalb übernimmt Verantwortung. Er hatte in der Bundesliga sechs Strafstöße
in Folge verwandelt, war aber nicht mehr etatmäßiger Schütze. Doch Grabowski
hatte zuvor (63.) verschossen. Kalb gegen Sepp Maier lautete das Duell, und der
Schütze ließ sich auch von einigen Nebengeräuschen – unter anderem schlossen
Weidle und Maier eine Wette ab, nachdem Kalb das Angebot des Nationaltorhüters
abgelehnt hatte – nicht irritieren. Kalb, in Unterliederbach im Westen
Frankfurts aufgewachsen, verwandelte mithilfe des Pfostens – 3:2 für die
Eintracht, die Entscheidung. „Mich hat das Gerede eigentlich mehr von meiner
eigenen Aufregung abgelenkt als beunruhigt“, gab Kalb nach dem Spiel zu
Protokoll. Er hatte Grabi ermuntert, nochmal zu schießen, berichtet er heute.
„Aber er sagte: Schieß du!“
Die Eintracht war somit ins Finale eingezogen, in dem
Kickers Offenbach hätte warten können. Der HSV hatte aber zwei Tage zuvor die
OFC-Träume auf den zweiten Pokalsieg der Vereinsgeschichte mit einem 1:0
zunichte gemacht. Auch für die Eintracht hätte schon früher Feierabend sein
können. Nach dem lockeren 8:1 bei Tennis Borussia Berlin war es nicht nur im
Halbfinale gegen die Bayern richtig eng, sondern auch schon in den beiden
Runden zuvor. Zunächst erzielte Thomas Parits erst in der Nachspielzeit auf
schneebedecktem Boden den 3:2-Siegtreffer beim damaligen Regionalligisten
Hessen Kassel, gegen den bärenstarken 1. FC Köln hieß es nach drei
Hölzenbein-Treffern 4:3 (2:2/1:0) nach Verlängerung.
Das mit 53.000 Zuschauern nicht ausverkaufte Düsseldorfer
Rheinstadion befand sich am Nachmittag des 17. August fest in Frankfurter Hand.
Mehr als 20.000 Eintrachtler wollten den ersten Triumph im DFB-Pokal bejubeln.
Und die Eintracht begann stark. Trotz guter Möglichkeiten durch Nickel, Weidle
und Trinklein dauerte es bis zur 40. Minute, ehe der Eintracht die Führung
gelang. Nach einem mustergültigen Pass von Weidle sorgte Trinklein für das
hochverdiente 1:0. In der zweiten Hälfte kam der HSV besser ins Spiel,
Björnmose sorgte in der 75. Minute mit einem unhaltbaren Schuss aus 25 Metern
für den zwischenzeitlichen Ausgleich. Danach hatte die Eintracht-Abwehr einige
Probleme mit dem eingewechselten Willi Reimann, der zwei gute Möglichkeiten für
den HSV nicht verwerten konnte. So musste das Finale in der Verlängerung
entschieden werden.
Gleich zu Beginn der Verlängerung nutzte die Eintracht eine
Unaufmerksamkeit des HSV zur erneuten Führung. Schiedsrichter Weyland aus
Oberhausen pfiff einen Freistoß und orientierte sich in Richtung des
Eintracht-Tors. Einige Hamburger dachten daraufhin, der Freistoß sei für den
HSV gegeben worden. Doch Nickel reagierte schnell, passte auf Hölzenbein, der
Dr. Hammer ein Zeichen gegeben hatte, und der spitzelte das Leder über den
herauslaufenden Kargus zum 2:1 ins Netz. Für die endgültige Entscheidung sorgte
der eingewechselte Wolfgang Kraus fünf Minuten vor Abpfiff. Nach einer schönen
Flanke von Hölzenbein köpfte „Scheppe“ den Ball zum 3:1-Endstand ein.
Natürlich war der Jubel auf Frankfurter Seite nach dem
Abpfiff groß, Trainer Dietrich Weise und die Spieler wurden auf ihrer
Ehrenrunde mit dem Pokal von den Anhängern gefeiert. Uwe Kliemann, mittlerweile
bei der Hertha und von der Eintracht zum Endspiel eingeladen (siehe
Geburtstagsartikel auf Seite 25) und von den Fans mit „Uwe, Uwe“- Sprechchören
bedacht, gratulierte seinen Ex-Kollegen. Und auf dem abendlichen Bankett sorgte
DFB-Präsident Hermann Gösmann für allgemeine Heiterkeit, als er der Mannschaft
von „Eintracht Braunschweig“ recht herzlich zum Pokalgewinn gratulierte.
Am nächsten Tag wurde die Mannschaft der Eintracht in
Frankfurt begeistert empfangen. 12.000 Fans bejubelten den DFB-Pokalsieger 1974
am Römer, einige Fans holten sich beim Sprung in den Gerechtigkeitsbrunnen
blaue Flecken, einer kletterte am Brunnen sogar hoch bis zur Justizia. Die
Eintracht nahm aus der erfolgreichen „Saisoneröffnung“ viel Euphorie mit in die
neue Saison, die als Tabellendritter und der Titelverteidigung im DFB-Pokal
beendet wurde.