Schlüsselspiel
in Holz’ Karriere
Am 22. Juni 1974 steht Bernd Hölzenbein gar nicht auf dem
Platz, er bezeichnet die Partie der deutschen Nationalmannschaft gegen die DDR
aber als „Schlüsselspiel“ in seiner Karriere. Über diese und viel mehr
Geschichten schreibt der Frankfurter Ronald Reng in seinem Buch „1974 – Eine
deutsche Begegnung“.
Bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1974 in Deutschland
stehen sich am Abend des 22. Juni der Gastgeber und spätere Weltmeister, die
Bundesrepublik Deutschland (BRD), sowie die Deutsche Demokratische Republik
(DDR) im Hamburger Volksparkstadion gegenüber. Im einzigen jemals
stattfindenden A-Länderspiels dieser Teams gewinnt die DDR durch den Treffer
von Jürgen Sparwasser (77.) schließlich mit 1:0. Doch das Sportliche steht bei
dieser Partie lediglich über 90 Minuten im Fokus, vielmehr treffen an diesem
Tag die Bruderstaaten des geteilten Deutschlands aufeinander und bringen auch
Menschen zusammen, die mit dem Fußball an sich wenig zu tun haben.
Zum 50. Jubiläum veröffentlicht der gebürtige Frankfurter,
bekennende Eintracht-Fan, Journalist und Autor Ronald Reng ein Buch über jenes
Duell und seine politische Relevanz. „Es ist der Versuch, anhand eines einzigen
Fußballspiels, anhand eines einzigen Tages eine ganze Epoche lebendig werden zu
lassen: die frühen Siebzigerjahre in beiden deutschen Staaten“, erklärt Reng in
einem Interview mit dem Herausgeber, dem Piper-Verlag. Ehemalige Fußballspieler
wie Günther Netzer, Wolfgang Overath und Lothar Kurbjuweit kommen zu Wort, auch
finden die gesellschaftliche Rolle der Spielerfrauen, Langhaarfrisuren, das
politische Potenzial einer Jeans sowie die Bedeutung für DDR-Sportler, sich im
Westen frei bewegen zu dürfen, auf den 432 Seiten ihren Platz.
Eine Hauptrolle in Rengs Buch steht auch dem im April
verstorbenen Frankfurter Fußballidol Bernd Hölzenbein und seiner Frau Jutta zu.
Holz war bereits 27 Jahre alt, „als er ein halbes Jahr vor der WM 1974 sein
erstes Länderspiel bestritt. Er selbst hat gesagt, dass das Spiel gegen die DDR
das Schlüsselspiel seiner Karriere wurde: eben weil er nicht mitspielte. Wegen
der Niederlage wurde die Mannschaft verändert – und er kam von der Ersatzbank
in die erste Elf. Das folgende Spiel gegen Jugoslawien war dann sein erstes
Länderspiel über 90 Minuten“, erläutert der Autor im Interview mit dem kicker
die Rolle Hölzenbeins, der später mit Deutschland und Eintracht-Mitspieler
Jürgen Grabowski Weltmeister wurde.
„Reng schafft es, die Dramaturgie der Begegnung über mehr
als 400 Seiten hinweg mit den politischen Entwicklungen und persönlichen Erlebnissen
der Menschen in West- und Ost-Deutschland zu orchestrieren. Das ist erst recht
für die Generation der Babyboomer, die damals um die zehn Jahre alt waren und
die historische Bedeutung dieses Spiels im geteilten Deutschland mitten im
Kalten Krieg gar nicht recht begreifen konnten, ein Erkenntnisgewinn, der sich
mit eigenen Erinnerungen mischt.“
Frankfurter Rundschau
„Reng zeigt die komplexen Querverbindungen zwischen Politik
und Fußball, die einem damals nicht mal dämmerten, weil man zu jung, weil Fußball
einfach nur Fußball war und nicht diese mediale Präsenz hatte wie heute.
Bemerkenswert an Rengs Darstellung ist sein offenes Auge für den Osten. Er
beschreibt diese Zeit, in der die DDR ihren Zenit erlebte, in der es ein vages
Versprechen von Aufbruch und Toleranz gab, das sich in Nichts auflöste.“
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Ronald Reng
1974
ISBN: 978-3-492-07219-9
Preis: 24 €
432 Seiten | Hardcover