Für 15
Mark zum WM-Finale
Bundesliga, Europapokal, Europameisterschaften,
Weltmeisterschaften. Wer heute zu den Großereignissen Tickets bekommt, ist ein
Privilegierter! Bei der Eintracht sind längst alle Spiele ausverkauft, bei
internationalen Turnieren gibt es Millionen Bewerber für das rare Gut
Eintrittskarten. Vor 50 Jahren war das noch ganz anders, oder aus heutiger
Sicht: unvorstellbar. Dr. Othmar Hermann erzählt, wie ihm ein Besuch bei
Eintrachts Mitgliederversammlung zu vier (!) WM-Karten verhalf.
Die Eintracht freute sich 1974 über das neu gebaute
Waldstadion, bot es dem Verein doch ganz neue Vermarktungsmöglichkeiten. Vom
erweiterten Platz für Werbebanden über ausreichend überdachte Sitzplätze bis
hin zur Möglichkeit, Werbung über eine Anzeigetafel abspielen zu können,
reichten die Perspektiven. Außerdem freute sich ganz Deutschland auf die
bevorstehende Weltmeisterschaft.
In dieser Euphorie entwickelten die Werbestrategen der
Eintracht eine Idee, um noch mehr Gäste zur traditionell eher schlecht
besuchten Mitgliederversammlung zu locken. In der Einladung, die in der
Vereinszeitung veröffentlicht wurde, bot man den Mitgliedern Folgendes an:
„Kommen Sie zur Mitgliederversammlung des Vereins. Hier können sie ein
begrenztes Kontingent für die WM-Spiele in Frankfurt erwerben. Außerdem haben
wir ein begrenztes Kontingent für das Spiel um Platz drei und das Finale in
München.“
Dr. Othmar Hermann, heute als Eintracht-Sammler
stadtbekannt, war 1974 21 Jahre alt – und bereits Eintracht-Fan und
Dauerkarteninhaber. „Ich habe von dem Angebot in der Zeitung gelesen. Und ich
hatte sowieso vor, Mitglied im Verein zu werden. Also bin ich da
hinmarschiert“, erinnert sich „Doc“. „Ich war schon drei Stunden vor
Versammlungsbeginn im Saalbau hinter dem Römer. Da hatte ein älterer Herr
seinen Tisch aufgebaut, mit Stühlchen, Geldkassette und den Tickets. Ich bin zu
ihm hingegangen und habe ihn gefragt, ob ich Mitglied werden könne. Er hat sich
gefreut und hat mir einen Mitgliedsantrag in die Hand gedrückt. Den habe ich
ausgefüllt, ihm zurückgegeben und dann gefragt, ob ich als Neumitglied zwei
Tickets für das Spiel um Platz drei und zwei Finalkarten bekommen könne. Das
hat funktioniert, die haben jeweils 15 DM gekostet. Ich habe meine 60 Mark
gezahlt und hatte die begehrten Karten.“
60 Deutsche Mark für vier Karten am Finalwochenende? Kaum
zu glauben. Die Spiele hat Hermann mit seiner damaligen Freundin besucht, in
München haben sie Grabi und Holz mit dem WM-Pokal bejubelt. Im August 1974 ist
„Doc“ dann auch noch zum Pokalfinale nach Düsseldorf gefahren. Zu
Mitgliederversammlungen ist er danach eher nicht mehr gegangen. „Ich war noch
mal bei einer Mitgliederversammlung, das war die, bei der Rainer Leben die
Ausgliederung des Profifußballs gefordert hat. Das waren schlimme Zeiten. Ich
erinnere mich lieber an die Versammlung 1974, die mir die Finalteilnahme
ermöglicht hat.“
Tipp an die Abteilung Mitgliedergewinnung: Verlost
demnächst doch mal wieder WM-Finalkarten, dann hat die Eintracht die 200.000
Mitglieder in Windeseile.