Der Eintracht-Weg

Der Altersschnitt der U21 ist mit 20,1 Jahren der jüngste der Regionalliga Südwest und Alessandro Gaul Souza verbuchte zum Auftakt ein besonderes Debüt. Auch die A- und B-Junioren fallen mit jungen Kadern in der DFB-Nachwuchsliga auf. Die daraus resultierenden Statistiken sind kein Zufall, sondern das Resultat einer klaren Ausbildungsphilosophie, die sich durch alle Jahrgänge des Nachwuchsleistungszentrums zieht.

Für die U21 begann die Saison 2024/25 mit einem Rekord: Mit Alessandro Gaul Souza, seines Zeichens 17 Jahre, ein Monat und sieben Tage alt, wurde beim Auftaktspiel der U21 gegen die Stuttgarter Kickers am 27. Juli der jüngste Spieler eingewechselt, der seit der Regionalliga-Reform zur Saison 2012/13 in der Regionalliga Südwest je auf dem Platz stand. Nur unwesentlich älter als Gaul Souza ist Teamkollege und U21-Stammtorhüter Nils Ramming (beide Jahrgang 2007), der fest aus der U17 in die U21 integriert wurde und in dieser Tabelle Rang acht belegt (Stand 14. August 2024).

Eine Statistik, die im ersten Moment beachtlich erscheint, aber im Gesamtkontext lediglich als ein weiterer Beleg für die Einhaltung einer klaren Ausbildungsphilosophie verstanden werden kann: Seit Wiedereinführung des ältesten Ausbildungsteams im Sommer 2022 konnte der Altersschnitt der U21 kontinuierlich gesenkt werden: Von im Mittel 21,2 Jahren in der Saison 2022/23 auf 20,1 Jahre in der laufenden Spielzeit. Interessant: Bei der knappen 1:2-Niederlage zum Saisonauftakt in Stuttgart betrug das Durchschnittsalter der Adlerträger in den Schlussminuten gerade einmal 19,2 Jahre. Dazu trugen fünf der zehn jüngsten Spieler des ersten Spieltags der Regionalliga Südwest 2024/25 das Eintracht-Trikot.

Nicht neu, aber auch in diesem Jahr im NLZ wieder gang und gäbe: Spieler, die aufgrund ihres Alters noch in der U19 spielberechtigt sind, fest in den U21-Kader zu integrieren. Zutreffend ist das nicht nur bei Nils Ramming, sondern auch bei Junior Awusi, Anas Alaoui, Aiden Harangi und Noah Fenyö (jeweils Jahrgang 2006). Ramming, Alaoui, Awusi kamen in Stuttgart jeweils zum Einsatz, mit Ayoub Chaikhoun sammelte gegen den KSV Hessen Kassel ein weiterer Spieler des 2006er-Jahrgangs seine ersten Minuten in der Regionalliga Südwest.

Demgegenüber verpassten Harangi und Fenyö die ersten Partien der neuen Saison aus besonderen Gründen: Während Harangi mit der U20- Auswahl der USA bei den CONCACAF U-20 Championship gefordert war und sich dort neben dem zweiten Platz auch die Qualifikation für die FIFA-U20-Weltmeisterschaft 2025 in Chile sicherte, zählte Fenyö zum 28-köpfigen Kader von Dino Toppmöller beim Trainingslager der Männer in Louisville (KY), USA.

 

„Es ist ein wichtiger Teil unserer Philosophie, den Jungs zum passenden Zeitpunkt Spielpraxis auf dem höchstmöglichen Niveau zu geben“ -- Alexander Richter --

 

Fenyö ist nicht das einzige Musterbeispiel dafür, dass sich das Aufrücken eines Spielers nicht nur auf „U17 zu U19“ beziehungsweise „U19 zu U21“ beschränkt, sondern – und das ist dann das erklärte Ziel – bis hin zum Lizenzspielerbereich Anwendung findet. So durften mit Anas Alaoui und Ayoub Chaikhoun zwei NLZ-Talente Spielzeit beim Freundschaftsspiel der Profis gegen den FSV Frankfurt sammeln. „Als aufrückender Spieler bekommst du frühzeitig ein gutes Gefühl dafür, wie du im höheren Jahrgang performen musst“, nennt NLZ-Leiter Alexander Richter einen der Vorteile dieses Modells. „Es ist ein wichtiger Teil unserer Philosophie, den Jungs zum passenden Zeitpunkt Spielpraxis auf dem höchstmöglichen Niveau zu geben, mit dem Ziel, ihnen Männerfußball näherzubringen und sie letztlich dort auch zu integrieren. Im besten Fall bis hin zum Profifußball. Das ist der Eintracht-Weg. Dafür müssen wir im Laufe der Ausbildungsjahre im NLZ Technik und Taktik, aber auch das Mindset und die Athletik individuell und progressiv steigern und sinnvoll anpassen.“

Diese Philosophie setzt sich auch in den jüngeren Jahrgängen fort: Mit Ebu Bekir Is und Alexander Staff sind zwei Spieler des 2008er-Jahrgangs frühzeitig fest in die U19 aufgerückt, die B-Junioren treten mit sechs Jungjahrgängen in der U17 DFB-Nachwuchsliga an. Die 18 Spieler, die am ersten Spieltag gegen den FC Carl Zeiss Jena für die U17 zum Einsatz kamen, waren im Durchschnitt gerade einmal 15,6 Jahre alt. Die A-Junioren stellen unterdessen das jüngste Team der Gruppe D in der U19 DFB-Nachwuchsliga.

 

„Es geht nicht darum, schnellstmöglich in den nächsthöheren Jahrgang zu kommen, sondern zum individuell sinnvollsten Zeitpunkt“ -- Alexander Richter --

 

Bei der Entscheidung, junge Spieler frühzeitig in ältere Jahrgänge hochzuziehen, würden eine Vielzahl an Faktoren herangezogen werden, wie Alexander Richter erklärt. „Wir integrieren nicht willkürlich Spieler in einen höheren Jahrgang, sondern überlegen uns im Vorfeld genau, bei wem es im Rahmen der maximalen Individualisierung sinnvoll ist. Es geht nicht darum, schnellstmöglich in den nächsthöheren Jahrgang zu kommen, sondern zum individuell sinnvollsten Zeitpunkt. Da steckt ein klarer Plan dahinter, den wir mit den Spielern erarbeiten und mit ihnen besprechen.“

Abwehrspieler Elias Baum ist ein Paradebeispiel für den Weg, auf dem sich das NLZ befindet. Der 18-Jährige, der seit der U11 den Adler auf der Brust trägt, durfte sich in der abgelaufenen Saison nicht nur in der U21, sondern auch immer wieder in der Bundesliga und UEFA Conference League beweisen. Kürzlich verlängerte er seinen Vertrag bei Eintracht Frankfurt bis 2028. In der Saison 2024/25 läuft der Rechtsverteidiger leihweise für die SV Elversberg in der Zweiten Bundesliga auf, wo er in den ersten drei Partien jeweils in der Startelf stand. „Elias Baum ist das perfekte Beispiel dafür, über mehrere Jahre im NLZ ausgebildet zu werden und dann diesen Schritt zu gehen“, macht Alexander Richter deutlich. „Sobald der Spieler aus unserer Sicht bereit ist, versuchen wir, ihn unserer Lizenzspielermannschaft anzubieten. Wenn es dort nicht sofort reicht, kann es vorkommen, dass es einen Spieler etwa zu einem Zweitligisten führt und wir trotzdem froh sind, dass er sich seinen Traum vom Profifußball erfüllen kann. Egal, wo die von uns ausgebildeten Spieler dann spielen, wir haben immer weiter Kontakt zu ihnen und bleiben im Austausch.“